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Donnerstag, 22. Januar 2009

Friedrich Schilz- Eine Jugend im Dritten Reich

Friedrich Schilz

Eine Jugend im Dritten Reich


Friedrich Schilz, Jahrgang 1925, ist jemand, der Geschichte erlebt und überlebt hat, und daher voller kleiner Geschichten steckt. Außerdem trifft es sich , das er Seniorenstudent der Uni Trier ist. Augen -und Ohrenzeugen der Jahre 1933 – 45 sind auch an Universitäten nicht mehr oft zu finden, und so stellt Herr Schilz für uns später geborene eine unschätzbare Informationsquelle aus erster Hand dar. Da dazu Erzählfreudigkeit , gepaart mit einem überbordendem Reichtum an Erzählenswertem kommen, können die Autoren den zwangsläufig begrenzten Umfang dieses Artikels nur bedauern.


„Ein großer Jugendverein“

Die Hitlerjugend in Bitburg

Friedrich K. Schilz wurde 1925 in Bitburg geboren. Seine Familie stand den Nazis zwar keineswegs unkritisch gegenüber, letztendlich kam der Vater doch nicht um eine Parteimitgliedschaft herum. Als Buchhändler hatte er der Reichsschrifttumskammer beizutreten, und um akzeptiert zu werden, vorher der NSDAP. Der junge Friedrich wuchs in dieser Zeit so normal wie damals möglich auf, und gehörte der HJ bereits vor 1933 an, vor allem , weil es wichtig war, „dazu zu gehören“. Dies bezog sich nicht auf politische Gründe , sondern eher auf für den Jungen reizvolle Aktivitäten, Ausflüge, Geländespiele und Lehrgänge. Im Rückblick bezeichnet Friedrich Schilz die Bitburger HJ, deren vorletzter Scharführer er später wurde, als eine Art großen Jugendverein, bei dem man „ was erleben“ konnte. Eines besonderen Aufnahmeverfahrens bedurfte es , jedenfalls nach 1933 nicht mehr, und von politischer Indoktrination oder Bespitzelung kann er nicht berichten.
Trotzdem galt nach seiner Aussage die Maxime : „Allein kann man alles denken, zu zweit einiges sagen, zu dritt gar nichts“
Die Hitlerjugend als Kinder - und Jugendorganisation der NSDAP gliederte sich in Flieger- Motor – und Marine- HJ und trat nach 1933 an die Stelle aller anderen von den Nationalsozialisten aufgelösten Jugendverbände. Friedrich Schilz wollte den Segelflugschein machen und trat daher der Flieger - HJ bei.
Sonnabends trafen sich die Kinder und Jugendlichen in Nebenräumen des „Braunen Hauses“ in Bitburg. (Jede Stadt besaß ihr eigenes „Braunes Haus“, womit die örtlichen Parteizentralen bezeichnet wurden).
Samstags sprach oft der Führer mindestens eine Stunde durch den Volksempfänger. Dabei mussten HJ’ler anwesend sein, und nicht zu Hause helfen.
Wenn man sich dazu noch in seiner schicken Uniform in der Stadt zeigen durfte, „war man wer“. Friedrich Schilz lächelt heute milde, als er den Autoren vom Tag seiner Erstkommunion erzählt, zu der er in Uniform erschien. (Als einziger). Ob und was der junge Friedrich mit diesem Auftritt beweisen oder zeigen wollte, weiß er siebzig Jahre später nicht mehr.
Die erwünschte Außenwirkung erzielte die HJ über gemeinnützige Aktionen, etwa den Einsatz in der Landwirtschaft als Kartoffelkäfersammler oder bei Altwertstoffsammlungen.
An politischen Auseinandersetzungen , an die sich Friedrich Schilz noch in Form von aufeinander einprügelnden Nazis und Kommunisten auf offener Straße erinnert, nahm die HJ in Bitburg nicht teil.
Ein für das Dritte Reich allerdings wohl symptomatischer Konflikt wurde im Religionsunterricht mit einem jungen Kaplan ausgetragen, Schilz erinnert sich noch gut, wie
dieser „fertiggemacht“ wurde.


„Der Judenkönig von Bitburg“
Bitburg und der Holocaust



Insgesamt war Bitburg zwar nicht gerade eine Insel, aber die dörfliche Struktur milderte die politische Großwetterlage vielfach ab. Dies galt auch für die Einstellung zur jüdischen Bevölkerung, die aus etwa zehn Familien der Mittelschicht bestand. Zumeist waren sie seit Generationen im Ort ansässig und vollständig integriert. Friedrich Schilz empfand den Antisemitismus der Nazis eher als etwas von außen importiertes und erinnert sich noch gut an die Stürmer- Schlagzeile „Isidor Meyer – Der Judenkönig von Bitburg“. Der Dreizehnjährige reagierte mit Unverständnis. Isidor Meyer war ein allseits beliebter Viehhändler , der für Kinder immer ein Bonbon in der Tasche hatte. Was für ein König?
Im gleichen Jahr, 1938, wurde der junge Friedrich Augenzeuge , als „ortsfremde“ SA- Männer die Bitburger Synagoge in eine verkohlte Ruine verwandelten.
Aus den frühen vierziger Jahren ist ihm noch eine Szene präsent, als er auf der Straße einen vorbeigehenden früheren jüdischen Mitschüler ansprach. Dieser reagierte mit dem Satz : „ Sprich nicht mit mir. Du bekommst mehr Ärger als ich.“
Die „Endlösung der Judenfrage“ war 1942 auf der Wannsee- Konferenz beschlossen worden. Der Hälfte der jüdischen Bürger Bitburgs war vorher emigriert, die Wege der anderen konnte Schilz nicht mehr nachvollziehen, da 1943 , nach dem Abitur, seine Einberufung zum Reichsarbeitsdienst erfolgte.



Beelzebub und der Dicke

Von Blumentöpfen und Naziprominenz



Persönliche Erinnerungen an nationalsozialistische Größen hat Friedrich Schilz auch einige. Etwa an den Besuch Hitlers in Bitburg 1940 , kurz nach dem Frankreichfeldzug. Die Straße war mit „Heil“ rufenden Menschen gesäumt als sich Friedrichs Mutter beim Herannahen der Wagenkolonne aus dem Fenster lehnte, um besser zu sehen. Dabei folgte ein durch ihren Ellenbogen von der Fensterbank gestoßener Blumenkübel der Schwerkraft und zerbarst vor der Limousine des Führers. Vier bewaffnete SS- Männer, die daraufhin das Haus stürmten, ließen sich glücklicherweise davon überzeugen, das es sich um ein Versehen gehandelt hatte, und der Vorfall blieb folgenlos.
Die Bekanntschaft des „Reichsführers HJ“ , Baldur von Schirach, hatte Schilz auf einem Gebietssportfest der Hitler- Jugend gemacht. Mit Göring verbindet er sicherlich die bedrückendste Erinnerung, als dieser den knapp zwanzigjährigen am 20.04 1945 (!) als Teil eines letzten Aufgebots gegen die Rote Armee in den Kampf um Berlin verabschiedete. Die Wertschätzung der Angehörigen des Regimes war stark unterschiedlich.
boebbels weckte durch seinen hinkenden Gang Assoziationen mit volkstümlichen Darstellungen des Teufels mit dem Klumpfuss. Göring war schlicht „ Der Dicke“, während Hitler selbst tatsächlich vielfach Verehrung genoss. Dessen Stellvertreter Hess besaß nach Schilz Erinnerung die größte Popularität nach dem „Führer“.


Kriegsdienst und was danach kam



Es gäbe noch sehr viel zu erzählen. Von Friedrich Schilz Traum, Pilot zu werden, der ihn auf die Luftkriegsschule führte. Aber der Krieg näherte sich seinem Ende, und die Rote Armee rückte auf Berlin vor. Vom sinnlosen Abwehrkampf auf den Seelower Höhen, von seiner vorübergehenden Erblindung durch eine sowjetische Granate. Von der Gefangennahme durch russische Kosaken, vom Lager bei Murmansk am Polarkreis, und den unglaublichen Ereignissen um seine vorzeitige Freilassung. Vom abenteuerlichen Weg nach Hause und......
Aber das sind andere Geschichten...

Andreas Armann / Matthias J. Berntsen.

Eine Lektüreempfehlung : “Reich- Ranicki , Marcel : “ Meine Jugend im dritten Reich“ mit Beiträgen von Heinrich Böll, Walter Jens, Ernst Jandl u a.

Schlechte Zeiten für Optimisten

Schlechte Zeiten für Optimisten in Afrika

Kenias Krise nach den Präsidentenwahlen


Das Publikum könnte aus einer Bar irgendwo zwischen Nairobi und Kapstadt stammen, das Bistro „Le mambo“ befindet sich aber in Triers Karl-Marx Strasse. Der höhlenartige Raum ist in knalligen bunten Farben mit afrikanischen Motiven ausgemalt und aus den Boxen dröhnt ein stolpernder Reggae- Rhythmus. Auf einem flimmernden Fernseher läuft ohne Ton CNN. Emmanuel Otieno sieht von Zeit zu Zeit hin und liest die Bildunterschriften. „Wir Kenianer im Ausland leiden natürlich mit, wenn unser Land vor die Hunde geht. Wir spielen hier Billard, weil wir nichts tun können. Außer mit unseren Familien zu telefonieren und zu beten.“ Auf Verständnis oder Interesse der Deutschen zählt Emmanuel nicht. „ Für euch hat das soviel Bedeutung wie die letzten Eskapaden von Britney Spears,“ meint er und versenkt die schwarze Kugel. Aber niemand achtet darauf. CNN hat wieder einen Live- Bericht aus Nairobi angekündigt.

Dr. Johannes-Michael Nebe interessiert sich nicht für Britney Spears. Die Nachrichten aus Kenia verfolgt der Geograf an der Universität Trier mit großer persönlicher Betroffenheit. „Wahlbetrug war zu erwarten, aber nicht diese Dreistigkeit und Brutalität“, erklärt er, und meint das Vorgehen der Staatsorgane gegen demonstrierende Oppositionsanhänger. Nebe betreut seit über zehn Jahren Projekte der Universität Trier zum Wassermanagement in Kibera und Mathare, Slums von Nairobi. Europa und Amerika haben in Kenia lange Zeit einen „Stabilitätsanker“ in der Region gesehen-„ zu Unrecht. Kenia hat den gleichen Geburtsfehler wie viele afrikanische Staaten. Die Bevölkerung, aber nicht der Staat ist multi -ethnisch. Die Luo und andere, die jetzt demonstrieren, wurden seit der Unabhängigkeit immer nur benachteiligt. Dies führt alle fünf Jahre bei Wahlen zu Gewalt.“

Aufstand der Habenichtse

Gewalt auf den Strassen Nairobis gehört für Alex Kanyi zum Alltag. Der Musiker, Journalist und Menschenrechtsaktivist hat auch die Wahlen von 1997 und 2002 erlebt. Zur jetzigen ist er nicht mehr gegangen: „Damals hat die Zivilgesellschaft noch Grenzen aufgezeigt. Sowohl beim Wahlbetrug als auch bei den Ausschreitungen. Heute haben die Leute von damals entweder resigniert oder die Seiten gewechselt,“ berichtet er für die (nu) aus der kenianischen Hauptstadt. “ Wir erleben keinen ethnischen Konflikt, sondern einen Aufstand der Habenichtse.“
Professor Dr. Peter Molt, Politikwissenschaftler und Afrikaexperte an der Universität Trier, hat dafür eine Erklärung: „ Die führenden Unabhängigkeitskämpfer waren Kikuyu und haben sich mit der politischen Macht auch die Güter der britischen Kolonialherren angeeignet. Darauf basiert der Wohlstand, den sie heute verteidigen. Und der Vater des Präsidentschaftskandidaten Raila Odinga war damals schon Oppositionsführer. Der Konflikt hat also eine soziale, eine wirtschaftliche und eine ethnische Dimension.“ Dass ein Wahlsieg Odingas , der in jungen Jahren auch einmal Fußballspieler in der DDR war, Kenias Gesellschaft zum Besseren verändert hätte, bezweifelt Molt : „ In Afrika ist es leicht, zum Pessimisten zu werden.“
Annika Busch – Geeretsma erschien ein Taxifahrer in Nairobi noch kurz vor den Wahlen alles andere als pessimistisch gestimmt: „Er sagte, dass er trotz Korruption und aller Probleme den Amtsinhaber Kibaki wählen würde. Weil er zum ersten Mal ohne Angst über Politik reden konnte.“ Die Geografiestudentin an der Universität Trier beobachtete eine regelrechte Wahleuphorie: „ Schon Monate vorher waren die Wahlen DAS Thema sowohl in den Zeitungen als auch in Gesprächen. Deshalb war die Enttäuschung über den Betrug umso heftiger.“ Annika Busch- Geeretsma absolvierte vor Weihnachten ein Praktikum bei der UNO in Nairobi, das jetzt unterbrochen ist: „ Das „Habitat“ Programm der UNO versucht die Wohnsituation der Menschen in den Slums zu verbessern. Es ist unmöglich, jemanden aus der Armut zu holen, der keine Postadresse hat. Ohne die gibt es kein Bankkonto. Von einem Wasseranschluss und Strom gar nicht zu reden.“
Für Christian Schlump und Maike Puhe läuft das Praktikum in Nairobi weiter. Aus Sicherheitsgründen mussten die Studenten aber bereits umziehen. : „ Unsere Bewegungsfreiheit ist jetzt arg eingeschränkt, und die Slums müssen wir unbedingt vermeiden“, berichten die Trierer Geografiestudenten. Auch wenn die Innenstadt ruhig ist, „sterben in den Elendsvierteln noch jeden Tag Menschen“. Ein ehemaliger Projekthelfer der Universität Trier wurde im Slum Kibera Opfer einer Messerattacke. Ein Freund muss jeden Tag Schutzgeld für einen sicheren Heimweg bezahlen.
Alex Kanyi meint, das in Zukunft noch weit mehr Menschen auf Hilfe angewiesen sein werden: „ Die, Kellner, Taxifahrer, Souvenirverkäufer zittern um ihre Jobs, da die Touristen ausbleiben. Sie werden zuerst die Rechnung für die Gewalt bezahlen.“
Nico Marfels vom Afrika-Verein in Hamburg berät deutsche Unternehmen bei Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent: „ Die Unternehmen warten bisher ab. Es hat schon früher Unruhen in Kenia gegeben, die auch wieder abgeflaut sind. Keine kenianische Regierung will Investoren vertreiben, und daher raten wir von Hysterie ab.“ Zur Zeit organisiert Marfels einen „Kenya business day“ in Hamburg und erwartet dazu auch Minister aus Nairobi.
Birger Meierjohann vom kenianischen Fremdenverkehrsamt in Deutschland will nichts dramatisieren: „ Keinem einzigen Touristen ist etwas zugestossen, und noch befinden sich etwa 3000 Deutsche in Kenia, die normal ihren Urlaub verbringen. Aber bei den Neubuchungen sieht es düster aus.“
Am Montag, dem 21.01 war in einer Pressemitteilung der Kenya Tourism Foundation folgendes zu lesen: „ Die Situation in Nairobi war völlig ruhig. Alle Geschäfte und Strassen waren offen und der Flughafenbetrieb normal.”
Am selben Tag erhielt Dr. Nebe eine SMS aus Nairobi von einem ehemaligen Projekthelfer : „Die Lage gerät außer Kontrolle bei uns. Luos sind aus Koyobangi verjagt worden und Kikuyus aus Kibera“. (Beide sind Slums von Nairobi)
Eine Lösung ? Der Journalist Alex Kanyi erklärt ohne eine Spur von Ironie : “ Beide Parteien wollen die absolute Macht. Die einen wollen sie erobern, und die anderen daran festhalten. Dieses ganze korrupte System müsste in einer Revolution beseitigt werden. Aber was danach käme, weiß auch niemand.


Link zum veröffentlichten Artikel auf der Seite:
http://www-alt.uni-trier.de/uni/nu-online/nu2007/index2.php?option=com_content&task=view&id=297&pop=1&page=0&Itemid=29

-Redselig-

Literatur von Andreas Armann

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